Mein Gastbeitrag für Elbfamilienglück
Windelfrei ist kein Training, sondern eine Einstellung
„Windelfrei“ Was heißt das überhaupt?
Windelfrei ist eigentlich ein nicht so passender Begriff, viele denken gleich, die Babys tragen überhaupt keine Windel. Das ist allerdings nicht unbedingt der Fall! Viele Babys tragen trotzdem Windeln oder sogenannte Backups.
Deutlich besser formuliert ist da die englische Definition: „ Elimination Communication“ (vereinfacht übersetzt: Ausscheidungskommunikation). Die bringt es auch schon auf den Punkt!
Denn Windelfrei ist Kommunikation
Jedes Baby kommuniziert von Geburt an über seine Ausscheidungen. Nur hier reagieren die Eltern darauf, wie auf jedes andere Bedürfnis auch. Für 80% der Weltbevölkerung ist diese Variante der Säuglingspflege ganz normal. Nur ist hier, durch die Entwicklung der Wegwerfwindel in den 70er Jahren, dieses Wissen verloren gegangen und wurde aufgrund der Bequemlichkeiten, die eine Wegwerfwindel mit sich bringt, nicht mehr oder nur noch wenig beachtet.
Es ein natürliches Verhalten vom Baby sich und seine Bezugsperson nicht zu beschmutzen.
Wie auch der Schweizer Kinderarzt Remo Largo in seinem Buch „Babyjahre„ beschreibt:
Kommt hier ein Schutzreflex zu trage, wo das Baby einige Sekunden bevor es Urin oder Stuhl ausscheidet einen kurzen charakteristischen Schrei ausstößt und mit dem Körper und Beinchen ruckartige Bewegungen macht. Daraufhin können die Eltern das Baby dann rechtzeitig von ihrem Körper abhalten ohne beschmutzt zu werden.
Wird auf dieses Signal bzw. Bedürfnis nicht mehr reagiert, verlaufen sich nach einigen Wochen bis Monaten die Signale dafür und die Babys hören auf zu signalisieren. Da auf ihr Signal keine Reaktion folgt und akzeptieren dann die Windel als Toilette.
Windelfrei ist Artgerecht und Bedürfnisorientiert
Woran kann ich den eigentlich erkennen, ob mein Baby mal muss?
Mögliche Anzeichen können sein:
Stillunlust: Trotz Hunger häufiges an- und abdocken an der Brust oder von der Flasche.
Laute: Das Baby schreit oder weint plötzlich, stöhnt, kreischt oder quietscht ohne ersichtlichen Grund.
Unruhe, Zappeln: Baby wälzt sich hin und her, auch im Schlaf, will raus aus der Trage oder drückt sich von dir weg.
Grimassen: Bestimmte Gesichtszüge vor dem Ausscheiden.
Spannung: Das Baby spannt den ganzen Körper oder Muskeln an.
Stimmungswechsel: Plötzliche Stimmungswechsel.
Michael-Jackson Griff: Greifen sich in den Schritt.
Intuition: Du hast das Gefühl es wird bei dir warm oder du glaubst das Baby müsste jetzt mal.
Und noch viele mehr, denn jedes Baby hat seine eigene Art zu kommunizieren. Auch die Art wie kommuniziert wird, kann schon von Person zu Person unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel macht das Kind bei der Mutter einen anderen Laut oder Zeichen als beim Vater oder einer anderen Betreuungsperson.
Ich glaube allein bei den ersten 3 Punkten haben sich schon viele Eltern oft gefragt, was ihrem Kind noch fehlen könnte. Es hatte doch eigentlich alles!? Hier vielleicht jetzt die Lösung
Windelfrei ist die Entscheidung deines Kindes
Vorteile von Windelfrei:
Seltener einen wunden Po
Weniger Machtkämpfe beim Wickeln
Weniger Koliken durch Blähungen
Wenige Probleme beim Sauberwerden im zweiten oder dritten Lebensjahr
Weniger Windelmüll
Ruhigere Nächte
Ein Job für Papa, damit er auch von Anfang an einen Part hat (auch sehr förderlich für die Bindung)
Somit kann man auch sagen, dass Windelfrei eine gute Unterstützung für High Need Babys ist, die fordern bzw. drücken ja besonders stark ihre Bedürfnisse aus und brauchen eine intensive Kommunikation.
Auch für Babys mit den sog. „3-Monats-Koliken“ kann Windelfrei Erleichterung verschaffen. Da die Kinder beim Abhalten in eine optimalere Haltung kommen um sich zu entleeren.
Abgehalten werden kann entweder in der Wiegeposition wie beim Stillen oder Aufrecht und im Rücken gestützt (z.B. durch anlehnen am Oberkörper der Eltern). Die Beine sind leicht angewinkelt und die Füße werden gehalten oder haben im fortgeschrittenen Alter Bodenkontakt.
Im Liegen und gegen einen Widerstand (Windel), ist es viel schwieriger sich zu entleeren als wenn da nichts ist.
Man kann sich das so vorstellen, als wenn man versucht im Liegen das große Geschäft zu verrichten. Oder ein Baby zu gebären ohne die Möglichkeit zu haben die Füße irgendwo gegen zu drücken.
Windelfrei ist Respekt und Würde
Hier meine 3 Tipps für den Start
1. Fangt einfach an! Euer Kind kann es bereits
Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt. Integriert es einfach nach und nach in euren Alltag!
2. Macht euch keinen Stress! Windelfrei hat nicht das Ziel, das Kind möglich schnell trocken zu bekommen oder Resultate zu erzielen.
Ihr stellt eurem Kind ein Angebot zur Verfügung und unterstützt es soweit wie nötig, sein Bedürfnis zu erfüllen. (Die Unterstützung richtet sich nach der Selbstständigkeit eures Babys). Ihr helft Ihm sein Körpergefühl zu behalten. Druck und Stress sind hier kontraproduktiv.
3. Habt Spaß! Windelfrei ist Spaß, Freude und Freiheit.
Freu dich darauf dein Kind noch besser kennen zu lernen. Windelfrei verläuft immer in Wellen und Rückschritte gehören dazu. Wie gesagt, es hat nicht das Ziel jedes Pipi aufzufangen. Der Austausch zwischen euch steht im Vordergrund, auch wenn Ihr Phasen habt wo viel gewickelt wird.
Windelfrei hat viele Gesichter und Wege. Es gibt nicht nur einen Weg!
Mein Abschlusswort:
Bitte denkt auch an Euch und eure Bedürfnisse, die sind hier genauso wichtig! Schlaf geht immer vor!
Kommunikation funktioniert im gestressten Zustand schlechter, atmet also tief durch und macht sonst auch mal eine Pause, wickelt normal und dann startet ihr mit neuer Kraft durch. Die Babys verlernen es nicht. Hauptsache ihr kommuniziert es vorher mit eurem Kind!
Mein Tipp: Sucht euch Gleichgesinnte zum Austauschen, ob beim Windelfrei- oder Artgerechttreffen, Windelfreiworkshops oder im Social-Media Bereich.